DDR — BRD — Frankreich

FKK in der DDR

In der DDR began­nen Anfang der 50er Jah­re eini­ge Küns­ter und Intel­lek­tu­el­le, bei Ahren­shoop an der Ost­see nackt zu baden. Ande­re schlos­sen sich an, so dass die Gemein­de der Nackt­ba­der schnell wuchs — bald auch an ande­ren Orten ent­lang der Ost­see­küs­te. Nach eini­gen Kon­flik­ten mit Tex­til­trä­gern wur­de in Ahren­shoop 1954 das Nackt­ba­den ver­bo­ten. Das wie­der­um ver­ur­sach­te hef­ti­gen Wider­stand sei­tens der FKK-Freun­de, unter denen sich auch zahl­rei­che SED-Mit­glie­der, Pro­mi­nen­te und Kul­tur­schaf­fen­de befan­den.

Der Auf­stand der Nackt­fans war so hef­tig, dass manch­mal schimp­fen­de Tex­til­trä­ger gewalt­sam ent­klei­det und nackt an einen Baum gefes­selt wur­den! Außer­dem wur­den immer häu­fi­ger aus­ge­las­se­ne, nack­te Strand­fes­te gefei­ert, die wie­der­um den Kon­flikt mit Tex­til­trä­gern ver­stärk­ten. Noch 1954 ver­häng­te die DDR Staats­füh­rung dann ein Nackt­ba­de­ver­bot an der gesam­ten Ost­see­küs­te, das nach anhal­ten­den Pro­tes­ten und Ein­ga­ben aber 1956 wie­der auf­ge­ho­ben wur­de.

FKK am Schwielochsee. Public DomainFKK am Schwie­loch­see

In der Fol­ge wur­den immer mehr FKK-Berei­che aus­ge­wie­sen, fast jeder Bade­see oder Strand wur­de in Tex­til- und Nackt­be­reich unter­teilt. Und die DDR-Bewoh­ner nutz­ten die ver­füg­ba­ren Nackt­ba­de­mög­lich­kei­ten weit­aus stär­ker als in der BRD. Man schätzt, dass in den 70er und 80er Jah­ren ca. 70% der Bevöl­ke­rung Nackt­ba­de-Erfah­rung hat­te — in der BRD waren es immer unter 30%. Auch öffent­li­che Nackt­heit bei ande­ren Gele­gen­hei­ten, z. B. beim Cam­ping oder im Gar­ten, war weit ver­brei­tet.

Ballspielen am FKK-Strand in der Lausitzer Seenplatte. Foto: Weisflog. Public DomainBall­spie­len am FKK-Strand in der Lau­sit­zer Seen­plat­te. Foto: Weis­flog.

Nach der Wen­de kamen dann die Wes­sis in die Urlaubs­zen­tren an der Ost­see und fühl­ten sich von den vie­len Nack­ten gestört. Da sie aber das Geld mit­brach­ten, folg­ten die Gemein­den den For­de­run­gen der West-Urlau­ber und demon­tier­ten mehr und mehr FKK-Gebie­te, ver­klei­ner­ten sie oder ver­leg­ten sie an weni­ger attrak­ti­ve Strand­ab­schnit­te. Mitt­ler­wei­le liegt die FKK-Ver­brei­tung in den neu­en Bun­des­län­dern etwa auf dem Niveau der alten Län­der.

FKK in der BRD

1949 wur­de der Deut­sche Ver­band für Frei­kör­per­kul­tur (DFK) als Dach­ver­band für die FKK-Ver­ei­ne in der BRD gegrün­det, außer­dem auch die (unab­hän­gi­ge) FKK-Jugend. 1953 erfolg­te der Ein­trag ins Ver­eins­re­gis­ter. Unge­ach­tet sei­ner Nähe zu den Natio­nal­so­zia­lis­ten, die Richard Unge­wit­ter schon früh mit sei­nen Büchern “Nackt­heit und Auf­stieg. Zie­le zur Erneue­rung des deut­schen Vol­kes” (1920) und “Ret­tung oder Unter­gang des deut­schen Vol­kes. Nur für Deutsch­ge­bo­re­ne!” (1921) doku­men­tier­te, wur­de er 1953 83-jäh­rig zum Ehren­mit­glied des DFK ernannt.

Sonderheft: Sonnenfreunde. Public DomainSon­nen­freun­de. Public Domain

In der kon­ser­va­tiv gepräg­ten BRD der 50er Jah­re blie­ben die FKK-Akti­vi­tä­ten auf die Ver­eins­ge­län­de beschränkt, aller­dings ent­stan­den etwa in Jugo­sla­wi­en und Frank­reich auch die ers­ten FKK-Urlaubs­zie­le. Anfang der 60er Jah­re nahm dann das Inter­es­se an FKK deut­lich zu. Bei Kam­pen auf Sylt ent­stand wie­der der öffent­li­che Nackt­ba­de­strand, über den in der Pres­se zahl­rei­che Berich­te erschie­nen. Gleich­zei­tig gab es einen mas­si­ven Mit­glie­der-Zuwachs bei den FKK-Ver­ei­nen.

Immer träume ich von Sylt. Public DomainImmer träu­me ich von Sylt

Die gesell­schaft­li­chen Umbrü­che, die mit der 1968er-Bewe­gung ein­ge­lei­tet wur­den, mach­ten das The­ma Nackt­heit popu­lär und etwa auf der Thea­ter­büh­ne zum häu­fig ver­wen­de­ten Aus­drucks­mit­tel.

Auch für neue Lebens-Kon­zep­te wie Kom­mu­nen, anti­au­to­ri­tä­re Kin­der­er­zie­hung und Locke­rung von Part­ner­bin­dun­gen spiel­te der sehr viel frei­er gewor­de­ne Umgang mit dem nack­ten Kör­per sei­ne Rol­le.

An Flüs­sen, Seen und Kanä­len ent­stan­den zahl­rei­che Nackt­ba­de­plät­ze, die zwar meist nur gedul­det wur­den, aber in vie­len Fäl­len in der offi­zi­el­len Aus­wei­sung eines Nackt­ba­de­plat­zes mün­de­ten. Ende der 70er Jah­re erober­ten die Nacker­ten den Eng­li­schen Gar­ten in Mün­chen, und nach ver­geb­li­chem Ver­such der Poli­zei, das Nackt­son­nen und ‑baden zu unter­bin­den, gab die Stadt­ver­wal­tung einen gro­ßen Teil der Anla­ge zum nack­ten Auf­ent­halt frei. Ande­re Parks in ande­ren Groß­städ­ten folg­ten.

Englischer Garten in München. Public DomainEng­li­scher Gar­ten in Mün­chen

Bis zum Zusam­men­schluss mit den neu­en Bun­des­län­dern 1989 war der Höhe­punkt der Ent­wick­lung hin zum FKK in der BRD jedoch über­schrit­ten. In den Ver­ei­nen wur­de der Alters­durch­schnitt lang­sam höher, weil der Nach­wuchs aus­blieb — für die jun­gen Leu­te waren die Nackt­ba­de-Alter­na­ti­ven außer­halb der Ver­ei­ne attrak­tiv genug.

Außer­dem setz­te eine Ten­denz ein, dass die Jugend das Inter­es­se an FKK mehr und mehr ver­lor. Um 2010 berich­te­te ein 18-jäh­ri­ger Abitu­ri­ent, der an meh­re­ren Nackt­wan­de­run­gen teil­ge­nom­men hat­te: “Mei­nen Mit­schü­lern darf ich nichts davon erzäh­len, sonst bin ich völ­lig unten durch. Die hal­ten alle gar nichts davon.” Ables­bar ist das auch an der Zahl der Nacker­ten im Eng­li­schen Gar­ten: In den 80er Jah­ren hiel­ten sich hier an war­men Tagen tau­sen­de meist jun­ge Nack­te auf, heut­zu­ta­ge nur noch sel­ten an die 100 eher älte­re.

Im DFK sind in den 70er Jah­ren 150.000 Mit­glie­der in Ver­ei­nen aktiv gewe­sen, 2015 waren es noch 45.000. Aus den Sta­tis­ti­ken der FKK-Rei­se­ver­an­stal­ter schätz­te man im Jahr 2000 die Zahl der deut­schen FKK-Urlau­ber auf ca. 8 Mil­lio­nen.

FKK in Frankreich

André Durville 1930. Public DomainAndré Dur­ville 1930

In Frank­reich wur­de die Idee des Natu­ris­mus eben­falls ange­nom­men als Vari­an­te des Mot­tos “Zurück zur Natur” und als Reak­ti­on nach den Erfah­run­gen der Indus­tria­li­sie­rung und Ver­städ­te­rung der Bevöl­ke­rung im 19. Jahr­hun­dert. 1920 grün­de­ten Mar­cel Kien­né de Mon­geot und Yvan de Laval in Manoir Jan à Fon­ten­ay-Saint-Père den »Spar­ta-Club« als ers­ten natu­ris­ti­schen Ver­ein in Frank­reich.

Gaston Durville 1930. Public Domain

Wäh­rend in Deutsch­land die Ent­wick­lung des Natu­ris­mus bereits in den 1920er Jah­ren eine nen­nens­wer­te Ver­brei­tung erfuhr, ver­lief in Frank­reich auch wegen der restrik­ti­ve­ren gesetz­li­chen Situa­ti­on die Ent­wick­lung lang­sa­mer.

Einen gewis­sen Durch­bruch erreich­ten die Pari­ser Ärz­te André et Gas­ton Dur­ville im Jah­re 1930, als sie das Cen­trum »Phy­sio­po­lis« auf einer Sei­ne-Insel in Vil­len­nes-sur-Sei­ne, etwa 30 km von Paris ent­fernt, grün­de­ten. In die­ser zeit waren medi­zi­ni­sche The­ra­pien mit Son­ne, Luft und Was­ser popu­lär, die Nackt­heit dien­te in ers­ter Linie dazu, die­sen Ele­men­ten den Zugang zur Haut zu ermög­li­chen. Phy­sio­po­lis war für (weni­ge) Pari­ser das ers­te klei­ne, natu­ris­ti­sche Wochen­end-Ziel vor der Haus­tür.

1932 grün­de­ten die Dur­ville-Brü­der dann auf der Mit­tel­meer-Insel Levant das Camp »Hélio­po­lis«, das bis heu­te besteht. Damit war erst­mals ein natu­ris­ti­sches Feri­en-Domi­zil in Frank­reich geschaf­fen. Die wei­te­re Ent­wick­lung natu­ris­ti­scher Zen­tren in Frank­reich nahm dann erst in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts Fahrt auf. 1950 folg­te die Grün­dung von Mon­ta­li­vet als welt­weit ers­tes natu­ris­ti­sches Fami­li­en­zen­trum, dem vie­le wei­te­re folg­ten. In Mon­ta­li­vet wur­de 1950 auch die »Fon­da­ti­on de la Fédé­ra­ti­on fran­çai­se de natu­ris­me« (FFN) gegrün­det und 1953 die »Inter­na­tio­na­le Natu­ris­ten-Föde­ra­ti­on« (INF/FNI). Zum Ende des 20. Jahr­hun­derts hat­te sich Frank­reich zum inter­na­tio­nal belieb­tes­ten Ziel für Natu­ris­ten-Urlaub ent­wi­ckelt.

Spielgerät in Naturisten-Camp Montalivet. Photo: Clem Rutter, Rochester, Kent. GNU Free Documentation LicenseSpiel­ge­rät in Natu­ris­ten-Camp Mon­ta­li­vet.

Eine etwas aus­führ­li­che­re Geschich­te des Natu­ris­mus in Frank­reich fin­det sich auf ⤷ placedelodeon.eu (Spra­che: FR), von der wir eine ⬈ deut­sche Über­set­zung anbie­ten kön­nen.

Die span­nen­de Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Cen­trum »Phy­sio­po­lis« und des Camps »Hélio­po­lis« ist aus­führ­lich doku­men­tiert auf ⤷ cairn.info (Spra­che: FR).